Marktwirtschaft

Mit dem Untergang der Sowjetunion ist auch die Idee der kommunistischen Planwirtschaft begraben worden. Kommunistische Systeme waren, auch nach den Greueln unter Stalin, gekennzeichnet durch Mangelversorgung mit Gütern, Verfall von Gebäuden und Anlagen, technischer Rückständigkeit, politischer Überwachung und Gängelei von Kindheit an, Fehlen von Freiheit der Entfaltung und fehlender Freizügigkeit, fehlender Pressefreiheit, trostlosem, eintönigem Erscheinungsbild der Städte.

Mit dem marktwirtschaftlichen System assoziieren wir dagegen Überfluss, technischen Fortschritt, Wohlstand, individuelle Freiheitsrechte und Pressefreiheit. Als Sieger im Wettstreit der Systeme steht also der Kapitalismus bzw. die Marktwirtschaft anscheinend fest.


Märkte
Im Zentrum der Marktwirtschaft steht das Prinzip des Marktes. Allgemein gesprochen bezeichnet der Begriff Markt jeden Ort, an dem Waren, Dienstleistungen oder Kapitalanlagen zum Verkauf angeboten werden und wo Interessenten diese käuflich erwerben können. Die Preisbildung für die Handelsgüter erfolgt durch Angebot und Nachfrage. Von der Marktwirtschaft wird gesagt, sie sei die Wirtschaftsform, die am besten für eine optimale Verteilung der Ressourcen sorgen könne. Trifft diese Annahme tatsächlich zu?


Versagen
In vielen Fällen wird der Markt seinem Ruf gerecht, doch nicht immer und überall funktioniert er. Für den Markt gibt es keinen Unterschied zwischen Wert und Preis. Der Preis ist der Wert und umgekehrt. Daraus folgt, dass Dinge, die nichts kosten, wertlos sind. Saubere Luft, naturnahe Landschaft, klares und gesundes Wasser in Flüssen und Seen, lebendige, fruchtbare Böden, intakte Wälder, haben (noch) keinen Marktpreis, siehe Gratisvergabe von Emissionsrechten. Sie gelten als Allgemeingut und werden am Markt nicht gehandelt. Ressourcen schonende, nachhaltige Wirtschaftsweise wird vom Markt nicht honoriert, eher ist das Gegenteil der Fall.

Dass im Marktdenken erst Geld einer Sache Wert verleiht, sieht man auch an der Berechnung des Bruttoinlandsproduktes (BIP), bekanntlich ein Maß für die Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft. Man beachte folgendes Gedankenspiel: Wenn Sie und Ihr Nachbar, jeder seinen eigenen Rasen mäht, hat das Rasenmähen volkswirtschaftlich keinen Wert. Würden Sie aber den Rasen Ihres Nachbarn mähen und er den Ihren und jeder würde vom anderen für seinen Dienst 10 Euro erhalten, erhöhte sich das BIP um 20 Euro, obwohl netto alles gleich bliebe.

Hausfrauentätigkeit ist - marktwirtschaftlich betrachtet - wertlos, weil sie nicht bezahlt wird. Die Aufgaben im Haushalt sind umfangreich:
  • Essen - einkaufen, zubereiten, Tisch decken
  • Geschirr - abwaschen, abtrocknen,
  • Wohnung (Wohnraum, Schlafraum, Kinderzimmer, Bad, Flure) - aufräumen, fegen, saugen, putzen, wischen, lüften, Blumen gießen
  • Wäsche - waschen, aufhängen, abnehmen, bügeln
  • Betten - beziehen, abziehen, ausschütteln, lüften
  • Kinder - erziehen, betreuen, pflegen bei Krankheit
  • Sonstiges - Behördengänge, Arztbesuche, Fahrten zu Kindergarten, Schule, Sportverein, ständige Bereitschaft
Für diese Aufgaben gilt weder ein acht-Stunden-Tag, noch eine fünf-Tage-Woche, sondern es sind mindestens zwölf-Stunden-Tage und eine sieben-Tage-Woche. Würde man alle diese Aufgaben an Dienstleistungsunternehmen übertragen, dann kämen Kosten von einigen 1000 Euro im Monat zusammen.


Sinn und Moral
Was kann man von einer Gesellschaftsidee erwarten, die als Wertbegriff nur den Preis kennt? Viele ziehen den Begriff der 'Marktwirtschaft' dem des 'Kapitalismus' vor, weil ein '-ismus' zu sehr nach Dogma klingt, aber hinter beiden Begriffen steckt das gleiche: der Markt als höchste Instanz. Wir sollen die Welt seinen freien Kräften anvertrauen, sagen Befürworter, doch wäre das klug? Wohin führt uns der Markt?

Er besitzt weder sinnstiftende Funktion noch Moral, ist weder gut noch gerecht. Weder verhindert er Waffen- noch Drogen- oder Menschenhandel, Kinderarbeit, Jugendgefährdung oder Volksverhetzung. Wirtschaftskrisen, Not und Elend sind kein Widerspruch zur Marktwirtschaft, auch Diktatur nicht, wie Griechenland und Spanien in Europa gezeigt haben, oder die vielen autoritären Militärregime in Südamerika. Und in China sehen wir, dass Marktwirtschaft und Parteidiktatur sich ebenfalls vertragen.

Adam Smith, (1723-1790) Sozialphilosoph und einer der Väter der Marktwirtschaft meinte, dass jeder nur an seinen eigenen Vorteil zu denken brauche, dann werde die 'unsichtbare Hand' des Marktes für das Wohl aller sorgen. Es klingt nach Zauberei und Illusion, doch einige Leute in Politik und Wirtschaft nehmen diese Aussage offenbar wörtlich. So können sie egoistisch und rücksichtslos sein, ohne dabei ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Hat die Sache vielleicht doch einen Haken? Wenn Ihr Nachbar mit einem benzingetriebenen Laubgebläse seinen Rasen säubert - weil er zu faul ist, zu harken - bekommt er einen sauberen Rasen, doch unter Lärm und Gestank müssen alle anderen auch leiden? Die 'unsichtbare Hand' verteilt in dem Fall nur die Schäden an alle und dergleichen Beispiele lassen sich bestimmt viele finden.


Fazit
Ich meine, man sollte den Markt nicht verteufeln, aber ihn auch nicht ideologisch überhöhen. Der Markt braucht den verantwortungsbewussten, politisch interessierten, mündigen Bürger, denn von sich aus sorgt er nicht für die Einhaltung ethischer Grundsätze und ebenso wenig für politische Vernunft, nicht einmal für eine stabile Wirtschaft. Die große Krise der Weltwirtschaft in den 1930er Jahren, der Börsencrash 1987, die Asienkrise 1997/1998, die dot.com Krise im Jahr 2000, die Immobilienkrise 2008/2009, wurden nur durch staatliche Eingriffe - ganz gegen den Rat von Adam Smith - bewältigt. Bestimmt wird uns auch nicht der Markt vor der Klimakatastrophe bewahren, sondern nur das hartnäckige Eintreten für vernünftiges, auf Nachhaltigkeit ausgerichtetes Handeln kann das erreichen.
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